Eisbäder hemmen das Muskelwachstum

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Bereits seit geraumer Zeit hat das Eintauchen in kaltes Wasser direkt nach dem Training bei vielen Hochleistungssportlern Einzug gehalten. Eisbäder sehen nicht nur cool aus, die Kälteeinwirkung soll auch den Trainingsreiz verstärken. Aber was ist dran und wieso wird das überhaupt gemacht?

Die Idee hinter den Eisbädern ist, Entzündungen direkt nach dem Training zu reduzieren und so die Erholung nach starker Anstrengung beschleunigen. Dieses Phänomen wurde in zahlreichen Studien bereits untersucht. Eine Meta-Studie aus dem Jahr 2011 bestätigt die vorteilhafte Wirkung von Eisbädern im Sinne einer kürzeren Erholungsphase im Ausdauersport[1].

Was für die Erholungsphase gilt, ist aber nicht zwangsläufig auch für das Muskelwachstum von Vorteil. Eine jüngere Studie untersuchte, wie sich die Kälteeinwirkung auf die Muskelproteinsyntheserate auswirkt[2].

Inhalt in Kürze zusammengefasst

  • Eisbäder verkürzen laut verschiedener Studien die Regenerationsphase. Eine Studie untersuchte, ob das Muskelwachstum ebenfalls positiv beeinflusst wird.
  • Die Probenden mussten nach dem Training mit einem Bein in kaltem Wasser stehen.
  • Gewebeproben zeigen, dass die Muskelproteinsyntheserate nach starker Kühlung reduziert ist.
  • Die Ursache ist unklar, aber es wird vermutet, dass die reduzierte Durchblutung dafür sorgt, dass weniger Aminosäuren zu den Muskeln transportiert werden.
  • Durch die geringere Muskelproteinsyntheserate wird das Muskelwachstum gehemmt. Eisbäder und Krafttraining sollten zeitlich daher möglichst weit auseinanderliegen.

Proteinsyntheserate reduziert sich durch starke Kühlung

Zwölf männliche Studienteilnehmer im Alter von durchschnittlich 21 Jahren mussten nach dem Training beide Beine für 20 Minuten in Wasser eintauchen. Das eine Bein wurde mit 8 °C kaltem Wasser gekühlt, das andere Bein stand in 30 °C temperaturneutralem Wasser.  Außerdem nahmen die Probanden nach dem Training 20 g Milchprotein mit 45 g Kohlenhydraten zu sich.

Vor und nach dem Training wurden mehrmals Muskelbiopsien durchgeführt. Damit wurden die myofibrillären Proteinsyntheseraten bewertet. Im Klartext: An den Gewebeproben wurde der Wert der Proteinsynthese gemessen, die für das Muskelwachstum eine entscheidende Rolle spielt.

Am Ende zeigte sich ein deutlicher Effekt der Eisbäder – allerdings nicht zum Vorteil des Muskelwachstums. Denn die starke Kühlwirkung verringerte die Aufnahme von Aminosäuren und reduzierte die Proteinsyntheseraten nach dem Training deutlich. Im zweiwöchigen Untersuchungszeitraum war die Proteinsyntheserate im gekühlten Bein um 12 Prozent geringer.

Ursache unklar

Die Ursache für diesen Effekt konnte in der Studie allerdings nicht beantwortet werden. Einer der Hauptgründe für Eisbäder unter Leistungssportlern ist – wie eingangs erwähnt – die Reduktion von Entzündungen. Entzündungen waren in dieser Untersuchung aber ebenso unverändert wie andere Marker, die Synthese-Regulierung betreffend.

Die derzeit wahrscheinlichste Erklärung ist der direkte Einfluss der Kälte auf die Durchblutung. Diese reduziert sich durch die starke Abkühlung nämlich. Mit dieser Reduktion fällt auch die Aminosäureaufnahme insgesamt niedriger aus.

In anderen Worten: Die Kühlung sorgt dafür, dass der reduzierte Blutfluss eine geringere Menge an Aminosäuren in die Muskeln transportiert und damit in einer kritischen Phase der Trainingsreizreaktion das Muskelwachstum insgesamt hemmen kann.

Auch wenn die Untersuchung mit diesem ungewöhnlichen Studiendesign kein reales Alltagsszenario abbildet, so erlaubt sie dank der sehr detailreichen Messungen, einen sehr guten Blick auf die Auswirkungen von starker Abkühlung. Da die allermeisten wohl keine 20-minütigen Eisbäder nehmen, wird ein negativer Effekt auf das Muskelwachstum im Normalfall wohl weniger stark ausfallen, als hier gezeigt werden konnte. Dennoch könnte der Effekt über längere Zeit bei wiederholtem Eisbaden dazu führen, dass das volle Muskelwachstums-Potential reduziert wird.

Quellen

  1. Cold water immersion and recovery from strenuous exercise: a meta-analysis. Leeder, J., Gissane, C., van Someren, K., Gregson, W., & Howatson, G. 2011. British Journal of Sports Medicine, 46(4), 233–240. doi:10.1136/bjsports-2011-090061
  2. Postexercise cooling impairs muscle protein synthesis rates in recreational athletes.Cas J. Fuchs, Imre W. K. Kouw, Tyler A. Churchward-Venne, Joey S. J. Smeets, Joan M. Senden, Wouter D. van Marken Lichtenbelt, Lex B. Verdijk, Luc J. C. van Loon. The Journal of Physiology. 2020. Volume 598, Issue, Pages 755-772. doi: https://doi.org/10.1113/JP278996